Weltgesundheitstag am 7. April: Zwischenbilanz der Universitätsmedizin Halle nach über einem Jahrzehnt für bessere Krebsversorgung in Äthiopien

Eine Rose Schleife als internationales Symbol für Brustkrebs in den Händen eines Schwarzen Menschen.

Die rosa Schleife ist ein internationales Symbol, um Aufmerksamkeit für Brustkrebs zu schaffen.

Die Arbeitsgemeinschaft Global Health der Universitätsmedizin Halle engagiert sich bereits mehr als zehn Jahre zur Stärkung der onkologischen Versorgung in Äthiopien. Unter deren Leitung fiel dort 2020 der Startschuss für das „Else Kröner Center for Cancer Care“. Ziel des groß angelegten Pilotprojekts ist es, die Kapazitäten in der Früherkennung und Behandlung von Brust- und Gebärmutterhalskrebs zu fördern und an einer besseren Versorgung zu forschen. Anlässlich der Projekt-Halbzeit und des 75. Geburtstags der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 7. April 2023 zieht die Universitätsmedizin gemäß dem Motto „Gesundheit für alle“ eine Zwischenbilanz.

Brustkrebs ist weltweit die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung. Bei Gebärmutterhalskrebs sind etwa 90 Prozent der Neuerkrankungen und Todesfälle in einkommensschwachen Ländern zu verzeichnen. „Für beide Erkrankungen existieren effektive Präventions-, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten“, erklärt Prof. Dr. Eva Kantelhardt, Leiterin der AG Global Health der Universitätsmedizin Halle. „Durch die extrem begrenzten Kapazitäten in diesen Regionen sind die Sterblichkeitsraten jedoch um ein Vielfaches größer als in Ländern mit hohem Einkommen.“ Dieses Ungleichgewicht werde besonders am Beispiel Äthiopiens deutlich, wo weniger als 100 Patholog:innen für die Bevölkerung von 123 Millionen Menschen verfügbar seien. Das Land erlebe eine rasante Entwicklung und sei beispielhaft für Regionen in der Welt, deren Gesundheitssysteme vor großen Herausforderungen stehen. „Die WHO beschäftigt sich intensiv mit der Gesundheitsversorgung in einkommensschwachen Ländern. In Äthiopien bräuchte es im Allgemeinen mehr als dreimal so viel medizinisches Personal, um das von der WHO empfohlene Minimum zu erfüllen und die grundlegende Gesundheitsversorgung sicherzustellen“, erläutert Kantelhardt.

Oberstes Ziel sei es, den Menschen eine frühzeitige Versorgung zu ermöglichen: „Wir wollen weg von einer Palliativmedizin bei fortgeschrittener Krankheit und hin zu einem kurativen Modell kommen. Das fängt mit der Früherkennung an - allerdings wäre es ethisch fragwürdig, etwa das Bewusstsein für Auffälligkeiten an der Brust zu schärfen, ohne über ausreichende Kapazitäten zur Diagnose und anschließenden Behandlung zu verfügen“, macht Kantelhardt deutlich. Es brauche einen gesamtheitlichen Ansatz, mehr Personal und Geräte. In Kooperation mit der Universität Addis Abeba wurden seit 2012 bereits Dutzende äthiopische Wissenschaftler:innen und medizinische Fachkräfte an der Universitätsmedizin Halle weitergebildet. „Neben Patholog:innen, Brustchirurg:innen und Strahlentherapie-Techniker:innen auch zum Beispiel 18 gynäkologische Onkolog:innen, die ihre Subspezialisierung erworben haben und nun onkologische Eingriffe durchführen. Zuvor waren es nur vier in ganz Äthiopien. Wir haben vor Ort außerdem qualifizierende Ausbildungsangebote etabliert und Forschungsprojekte zu Themen der Klinik, im Labor und der Versorgung aufgebaut“, so Kantelhardt.

Durch eine umfangreiche Förderung der Else Kröner-Fresenius-Stiftung über 2,5 Millionen Euro konnte das Team 2020 ein auf fünf Jahre angelegtes Pilotprojekt auf den Weg bringen und das „Else Kröner Center for Cancer Care“ in Addis Abeba aufbauen. „Das Projekt ist ein großer Sprung nach vorne. Wir haben eine einfach zugängliche Anlaufstelle geschaffen, um Diagnostik und Behandlung von Brustkrebs an einem Ort zu bündeln. Das ist bislang die einzige Gesundheitseinrichtung im Land, in der eine klinische Brustuntersuchung und Abklärung für Frauen angeboten wird. Wir konnten dort bereits über 1.500 Untersuchungen und knapp 90 Operationen vornehmen. Unsere Erfahrungen lassen wir in die globale Brustkrebsinitiative der WHO einfließen, die sich für den Aufbau solcher gebündelten ‚Diagnostik-Zentren‘ stark macht“, berichtet die Medizinerin.

Doch damit wäre es nicht getan, denn das Gesundheitssystem in Äthiopien bestehe aus zahllosen kleinen und wenigen größeren Einrichtungen, die ungleichmäßig verteilt und unzureichend vernetzt seien. „Damit das ganze System in Fahrt kommt, muss man überregional und parallel an mehreren Stellschrauben arbeiten. Gemeinsam mit der äthiopischen Regierung entwickeln wir das landesweite Brustkrebsprogramm. Die Vernetzung der bestehenden Einrichtungen und die Verbesserung und Vereinheitlichung der Screenings im Rahmen des Projekts sind ebenso wichtig wie der Aufbau neuer Zentren.“

Besonders die Überweisung der Patientinnen müsse beschleunigt werden, damit die Behandlung rechtzeitig erfolgen kann, so Kantelhardt. Außerdem soll ein Bewusstsein für Erkrankungen und eine langfristige Versorgung der Therapierten geschaffen werden. „Die großen Zentren des Landes stellen ihre Expertise zur Verfügung und helfen dabei, Personal für die Kliniken im Umland auszubilden. Diese tragen das Wissen anschließend in die Gemeinschaften weiter“, beschreibt Kantelhardt. „Im April übergeben wir bei einem Treffen mit 25 peripheren Zentren Thermokoagulationsgeräte, die eine Behandlung von Krebsvorstufen erlauben. Und durch den großen politischen Willen im Land stehen sechs neue Geräte für Strahlentherapie zur Verfügung, die für den Einsatz vorbereitet werden. Es hat sich schon viel getan, das müssen wir aufrechterhalten.“