Weltweite Beobachtungsstudie zeigt: COVID-19-freie Krankenhausbereiche können nach Operationen Leben retten

Die Einrichtung von „COVID-19-freien“ Krankenhausbereichen für tumorchirurgische Patientinnen und Patienten kann während der aktuellen Pandemie Leben retten. Wie in einer weltweiten Studie des COVIDSurg-Forschungsnetzwerkes gezeigt werden konnte, lässt sich dadurch das Komplikations- und Sterblichkeitsrisiko senken. Die Ergebnisse der Studie wurden aktuell im Journal of Clinical Oncology, einer der weltweit renommiertesten Fachzeitschriften im Bereich der Krebsmedizin, publiziert (DOI: 10.1200/JCO.20.01933). Sie zeigen, dass bei in COVID-19-freien Bereichen operierten und behandelten Krebspatientinnen und -patienten bessere Ergebnisse erzielt werden als bei in Kliniken ohne klare Bereichstrennung operierten Menschen.

COVIDSurg ist ein weltweites chirurgisches Forschungsnetzwerk, das seit Beginn der Coronavirus-Pandemie zusammenarbeitet. Am Netzwerk sind auch Chirurginnen und Chirurgen der Universitätsmedizin Halle (Saale) beteiligt: Prof. Dr. Jörg Kleeff und Prof. Dr. Ulrich Ronellenfitsch von der Universitätsklinik und Poliklinik für Viszerale, Gefäß- und Endokrine Chirurgie des Universitätsklinikums Halle (Saale). „Die Studie zeigt anhand einer sehr breiten Datenbasis, dass Tumorchirurgie auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie sicher durchgeführt werden kann. Eine Reduktion des Risikos für pulmonale Komplikationen und von postoperativer Sterblichkeit kann erreicht werden, indem corona-infizierte Menschen im Krankenhaus strikt von nicht infizierten Patientinnen und Patienten getrennt werden“, so Prof. Dr. Kleeff. Tumoroperationen sollten daher keinesfalls abgesagt oder verschoben werden, denn das Risiko eines Fortschreitens der Krebserkrankung überwiege das pandemiebedingte zusätzliche Risiko. 

Als Vorsichtsmaßnahme, damit sich Patienten nicht im Krankenhaus mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren, waren während der ersten Pandemiewelle zunächst weltweit Millionen von Operationen abgesagt oder verschoben worden. „Allerdings sind viele Eingriffe insbesondere bei Krebserkrankungen dringlich. Die Erkrankung kann bei Verzögerungen der Operation fortschreiten und sich verschlimmern oder sogar chirurgisch nicht mehr behandelbar sein“, so Prof. Ronellenfitsch. 

Die Studie konnte nun zum ersten Mal zeigen, dass auch während der COVID-19-Pandemie krebschirurgische Eingriffe auf der ganzen Welt sicher durchgeführt werden können. Das Risiko für pulmonale Komplikationen wie Lungenentzündung oder Lungenversagen ließ sich weiter reduzieren, wenn in den Kliniken COVID-19-freie Bereiche eingerichtet und Patientinnen und Patienten mit vermuteter oder bestätigter Infektion strikt getrennt behandelt wurden. 

Für die Studie wurden Daten von 9.171 Patientinnen und Patienten in 55 Ländern auf fünf Kontinenten untersucht, die seit Beginn der Pandemie bis Mitte April 2020 operiert worden waren. So konnte festgestellt werden, dass bei Patienten, die in COVID-19-freien Bereichen behandelt wurden, sowohl pulmonale Komplikationen (2,2 Prozent versus 4,9 Prozent) als auch die postoperative Sterblichkeitsrate (0,7 Prozent vs. 1,7 Prozent) wesentlich geringer waren. Allerdings wurden nur 27 Prozent der Studienpatientinnen und -patienten in solchen COVID-19-freien Bereichen behandelt. Die Reduktion des Risikos ließ sich sowohl in Regionen mit hoher als auch niedriger Inzidenz von SARS-CoV-2-Infektionen nachweisen.

Dr. James Glasbey, Studienleiter von COVIDsurg an der Universität Birmingham, sagt zu den Ergebnissen: „Die Daten legen nahe, dass COVID-19-freie Krankenhausbereiche nicht nur bei hohen, sondern auch bei niedrigen lokalen Infektionsraten Vorteile für die Patientinnen und Patienten bringen können. Wir empfehlen daher allen von der Pandemie betroffenen Ländern, solche Bereiche einzurichten beziehungsweise für den Fall künftiger Infektionswellen vorzusehen. In jedem Fall müssen die lokalen Gegebenheiten und Auswirkungen der vorgeschlagenen Veränderungen im Gesundheitswesen bedacht und bewertet werden. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die verfügbaren Ressourcen und Herausforderungen aufgrund der aktuellen Pandemie. Eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung ist deshalb essenziell, um mögliche unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden und das Optimum für die Gesundheitsversorgung aller Patientinnen und Patienten zu erzielen.“

Eingriffe wegen einer bösartigen Tumorerkrankung machen einen wesentlichen Anteil der in Deutschland durchgeführten Operationen aus. „Geht man davon aus, dass die Studiendaten auf Deutschland übertragbar sind und ein relevantes Infektionsrisiko besteht, könnte mit den beschriebenen Maßnahmen eine relevante Zahl COVID-19-assoziierter Todesfälle bei zu operierenden Krebspatienten vermieden werden“, so Kleeff, der zudem deutlich macht: „Am Universitätsklinikum Halle (Saale) werden wir auch zukünftig alle organisatorischen und infrastrukturellen Maßnahmen ergreifen, um Tumoroperationen auch in Pandemiezeiten sicher zu gewährleisten.“