Jahrzehntelang war es ein klassischer Ausbildungsberuf, doch die Anforderungen an Hebammen sind seither stetig gestiegen. Für den Beruf der Hebamme (m/w/d) ist nun in Deutschland eine Hochschulausbildung verpflichtend (EU-Vorgabe/HebG). Darauf basiert der duale Bachelorstudiengang „Hebammenwissenschaft“, der für das Land Sachsen-Anhalt an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) eingerichtet wurde und ab Wintersemester 2021/22 hier studiert werden kann. Der Bachelorstudiengang „Hebammenwissenschaft“ (240 LP) beginnt immer im Wintersemester und unterliegt einer universitätsinternen Zulassungsbeschränkung (20 Studienplätze).

Die Medizinische Fakultät hat seit vielen Jahren Erfahrung in der akademischen Ausbildung von Hebammen im Rahmen des Bachelorstudiengangs Gesundheits- und Pflegewissenschaft und in der Hebammenforschung. Ein starker Fokus wird auf eine interprofessionelle und interdisziplinäre Ausbildung gelegt, die in theoretischen Modulen, im gemeinsamen Trainieren von Fertigkeiten im Dorothea-Erxleben-Lernzentrum und in Praxiseinsätzen realisiert wird.

1. allgemeine Hochschulreife beziehungsweise ein äquivalenter, anerkannter Bildungsnachweis

Folgende Schulabschlüsse berechtigen zur Aufnahme eines Studiums an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg:

  • Allgemeine Hochschulreife (i.d.R. Abitur): berechtigt zum Studium in einem Studiengang, der zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führt (grundständiges Studium).
  • Fachgebundene Hochschulreife: berechtigt zum Studium in einem oder mehreren fachbezogenen Studiengängen. Die Fachrichtungen sind im Regelfall im Zeugnis ausgewiesen.
     

Achtung! Die Fachhochschulreife, landläufig "Fachabitur" genannt, ist keine fachgebundene Hochschulreife. Die Fachhochschulreife berechtigt nur zum Studium an Fachhochschulen.

ODER

2. der Nachweis einer erfolgreich absolvierten Berufsausbildung (im Sinne von §10 Absatz 1 Nr. 1b HebG) als

  • Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger
  • Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger
  • Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann
  • für die allgemeine Pflege verantwortliche/r Krankenschwester oder Krankenpfleger nach den Mindestanforderungen der Europäischen Union.

3. Bescheinigung über ein mindestens vierwöchiges Vorpraktikum (vollzeitäquivalent) in einem Kreißsaal, auf einer klinischen Station mit Schwangeren, in einer Hebammenpraxis mit mindestens zwei Hebammen, einem Geburtshaus, auf einer Wochenstation oder bei einer freiberuflichen Hebamme; es kann auch gesplittet absolviert werden, wobei die Dauer jeweils 2 Wochen in Vollzeit nicht unterschreiten soll,

4. vorläufiger Ausbildungsvertrag mit dem Universitätsklinikum Halle (Saale) oder dem Universitätsklinikum Magdeburg

5. ein erweitertes Führungszeugnis, das frühestens drei Monate vor dem Ende der Bewerbungsfrist (d.h. nach dem 15. April des Bewerbungsjahres) ausgestellt wurde,

6. eine ärztliche Bestätigung der gesundheitlichen Eignung zur Absolvierung des Hebammenstudiums.

Charakteristik und Ziele des Studienprogramms

Der Studiengang verknüpft einen hochschulischen Ausbildungsteil an einer Universität und einen praktischen Ausbildungsteil an Praxis-Lernorten (Praxispartner) über den Verlauf von 8 Semestern. Er führt somit zu zwei Abschlüssen:

Studienabschluss und Berufsabschluss

  • Bachelor of Science (B.Sc.) und
  • Berufsabschluss Hebamme
     

Regelstudienzeit und Praxiseinsätze

  • 8 Semester als Vollzeit-/ Präsenzstudium
  • in Kliniken (Kreißsaal, Wochenstation, Schwangerenstation/ -ambulanz)
  • mit einer freiberuflich tätigen Hebamme (Hebammenpraxis, Geburtshaus)
  • Schichtdienst; überwiegend Tagdienste; ggf. Bereitschaftsdienst bei Hebammen mit Beleg- und Hausgeburten
  • Studierende erhalten auf Basis des Ausbildungsvertrags mit einem der Praxispartner (Universitätskliniken) eine monatliche Vergütung.
  • Es ist vertraglich Urlaub zu vorgegebenen Zeiten vorgesehen.
     

Persönliche Voraussetzungen, die künftige Studierende mitbringen sollten

  • Interesse an der gesundheitlichen Versorgung von schwangeren Frauen, Gebärenden und Wöchnerinnen in der Klinik und in der freiberuflichen Tätigkeit
  • Motivation, die Selbstbestimmung von Frauen in ihrer gesundheitlichen Versorgung zu unterstützen
  • Motivation zur Betreuung bei zunehmend komplexen Versorgungsbedürfnisse (z.B. Diabetes, Adipositas, Sucht) und im Zusammenhang mit medizinischen Interventionen 
  • Offenheit für die große Diversität der Frauen/ Familien, z.B. bzgl. ethnischer Herkunft, belastenden Lebenssituationen, Trauma
  • Bereitschaft zur Qualitätssicherung in der Leistungserbringung
  • Interesse an Forschung und Hebammenwissenschaft

Hochschulischer Ausbildungsteil:

  • Im Verlauf der 8 Semester werden beginnend mit den Modulen der ersten Semester die Anatomie und Physiologie sowie grundlegende pflegerische und Hebammen-Tätigkeiten sowie praktische Fertigkeiten erlernt, die sich auf die Hebammenbetreuung in der Schwangerschaft, bei der Geburt, im Wochenbett und in der Stillzeit beziehen.
  • In den höheren Semestern werden Module zur Pathologie und zur Hebammentätigkeit in besonderen Betreuungssituationen gelehrt.
  • Daneben gibt es Module zu Grundlagen- oder Querschnittsfächern, wie Ethik und Geschichte, Entwicklungspsychologie, Beratung, Gesundheitsförderung, Forschungsmethoden, Qualitätssicherung.
  • Ab dem 1. Semester bis zum 8. Semester sind Praxiseinsätze von mehreren Wochen vorgesehen, die sich in jedem Semester an die Vorlesungszeit anschließen.
  • Die staatlichen Prüfungen (schriftlicher, mündlicher und praktischer Teil) finden im 7. und 8. Semester statt.


Lehrinhalte des Studienganges

Im Studiengang werden u.a. folgende Kenntnisse und Kompetenzen vermittelt:

  • selbstständige und evidenzbasierte Förderung und Leitung physiologischer Prozesse während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit. Erkennen von Risiken und Regelwidrigkeiten bei der Frau und dem Kind sowie Gewährleistung einer kontinuierlichen Hebammenversorgung unter Hinzuziehung der erforderlichen ärztlichen Fachkräfte;
  • wissenschaftsbasierte Planung, Organisation, Durchführung, Steuerung und Evaluation auch von hochkomplexen Betreuungsprozessen unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit, Effektivität, Qualität, Gesundheitsförderung und Prävention während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit;
  • Förderung der Selbstständigkeit der Frauen und Wahrung ihres Rechts auf Selbstbestimmung während Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit unter Einbezug ihrer Lebenssituation, ihrer biographischen Erfahrungen sowie von Diversitätsaspekten unter Beachtung der rechtlichen Handlungspflichten;
  • personen- und situationsorientierte Kommunikation während des Betreuungsprozesses;
  • verantwortliche Gestaltung des intra- und interprofessionellen Handelns in unterschiedlichen systemischen Kontexten, Weiterentwicklung der hebammenspezifischen Versorgung von Frauen und ihren Familien sowie Mitwirkung an der Entwicklung von Qualitäts- und Risikomanagementkonzepten, Leitlinien und Expertenstandards;
  • Reflexion und Begründung des eigenen Handelns unter Berücksichtigung der rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und berufsethischen Werthaltungen und Einstellungen sowie Beteiligung an der Berufsentwicklung.


Darüber hinaus sind die Absolventinnen und Absolventen dazu befähigt,

  • methodisch reflektiert, differenziert und priorisiert professionell zu handeln aufgrund eines wissenschaftlich fundierten Fallverstehens;
  • aktuelle Forschungsberichte zu hebammenrelevanten Assessments und Interventionen zu recherchieren, zu analysieren und zu bewerten sowie die Güte der externen Evidenz für die Translation in die Praxis einzuschätzen;
  • interdisziplinär mit anderen relevanten Berufsgruppen des Gesundheits- und Sozialsystems zielorientiert und effektiv zu kommunizieren sowie die sektorenübergreifende Versorgung und das erforderliche Schnittstellenmanagement zu steuern;
  • für Hebammen relevante Problemstellungen in der Betreuung von Frauen und ihrer Familien zu identifizieren, wissenschaftlich begründete Lösungsansätzen zu entwickeln und diese logisch und verständlich im Team, vor einem Fachpublikum oder vor Laien zu präsentieren;
  • sich kritisch-analytisch mit sozial-, gesundheits- und pflegewissenschaftlichen Theorien auseinanderzusetzen und deren Relevanz für die Hebammenpraxis einzuschätzen.

Bestandteil des Studiengangs ist auch die Vermittlung berufspädagogischer Inhalte im Umfang von mindestens 100 Stunden, welche eine der Voraussetzungen für die spätere Betätigung als Praxisanleiterin bzw. Praxisanleiter ist.

Der Studiengang qualifiziert für folgende Berufsfelder:

  • Selbstständige, fachliche Begleitung und Betreuung sowie Gesundheitsförderung von schwangeren Frauen, Gebärenden, Wöchnerinnen und Müttern mit ihren Säuglingen,
  • Leitung von Organisationseinheiten auf unterer und mittlerer Ebene,
  • Weiterbildungstätigkeiten im Gesundheits- und Bildungssektor,
  • wissenschaftliche Forschungsassistenz und -mitarbeit,
  • Mitwirkung bei Sachverständigentätigkeiten.
     

Daraus ergeben sich folgende berufliche Felder:

  • Tätigkeit als angestellte Hebamme in einem hebammengeleiteten oder ärztlich geleiteten Kreißsaal; 
  • Tätigkeit als angestellte Hebamme auf einer Mutter-Kind-Station;
  • Tätigkeit als freiberufliche Hebamme, auch als Beleghebamme
     

Mit dem Abschluss des Studiengangs sind zudem die Voraussetzungen für weiterführende Studienprogramme, insbesondere für einen Masterstudiengang in Gesundheits- und Pflegewissenschaften, und eine daran anschließende Promotion geschaffen.