Das primäre Forschungsziel der Universitätspoliklinik für Zahnerhaltungskunde und Paro­dontologie  besteht in der Untersuchung der Bedeutung von entzündlichen Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontitis) auf systemisch-inflammatorische Erkrankungen, ins­besondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und komplexe Erkrankungen des rheumatischen Formen­kreises. Als gemeinsame Schnittstelle zwischen schweren Parodontitiden und sys­temischen Erkrankungen werden insbesondere parodont­pathogene Bakterien (komplexes orales Mikrobiom) sowie deren Toxine und eine individuelle Prä­disposition zu entzündlichen Erkrankungen (gemeinsame genetische/epigentische Risiko­faktoren) diskutiert. Dort knüpfen die translationalen Projekte unserer Klinik, die sich an den Forschungs­schwerpunkten unserer Fakultät „Molekulare Medizin der Signal­transduktion“, „Herz-Kreis­laufsystem“ und „Medizin des Alterns“ orientieren, an. Ergebnisse dieser Arbeiten wurden bereits international hochrangig publiziert und mit Forschungs­preisen dotiert. Die Forschungs­ergebnisse sollen zum einen dazu beitragen, eine mögliche Schnittstelle zwischen parodontalen und systemisch-inflammatorischen Erkrankungen besser zu ver­stehen. Zum anderen soll die interdiszplinäre Vernetzung mit dem Ziel einer adäquaten individuellen Therapie der Patienten gefördert werden.  

Ziele der Grundlagenforschung bestehen zum einen in der Erforschung der Grundlagen von Biomineralisation, der Aufklärung der Mikromorphologie und Ultrastruktur von zahneigenen und zahnumgebenden Gewebe sowie der Bestimmung von physikochemischen Parametern der Elemente des Gebiss-Systems. Im Mittelpunkt der klinischen Forschung stehen die Entwicklung und Therapie bei Dentinhypersensibilität, die Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren, die Entwicklung minimal invasiver Verahren zur postendodontischen Zahnerhaltung sowie Intervention zur Kariesprophylaxe.

Die Pathogenese von schweren generalisierten Parodontitiden wird im besonderen Maße von der individuellen Immunreaktion des Wirts beeinflusst. Genetische und epigenetische Be­sonderheiten, insbesondere in Genen der Immunantwort, werden als triggernde Faktoren diskutiert. Im Rahmen verschiedener an unserer Klinik durchgeführter Fall-Kontrollstudien wurden krankheits­assozierte SNPs und epigenetische DNA-Methylierungsmuster charakterisiert.

Generalisierte schwere Parodontitiden, charakterisiert als entzündliche Erkrankungen des Zahnhalteapparats, werden ausgelöst durch orale bakterielle Infektionen. In einer Fall-Kontrollstudie an Patienten mit generalisierter aggressiver Parodontitis und parodontitisfreien Vergleichsprobanden wirde mittels Hochdurchsatztechnologie (Next-Generation-Sequencing) die komplexe Zusammen­setzung des oralen Mikrobioms auf dessen gesundheits- bzw. krankheitsassoziierten Be­sonder­heiten untersucht.

Neben der Untersuchung der Gelenk­flüssigkeit rheumatisch be­trof­fener Gelenke auf parodontale Leitkeime, wird ebenfalls die indi­viduelle genetische Risiko­konstellation als mögliches Bindeglied zwischen beiden ent­zündlichen Erkrankungen be­trachtet. In Fall-Kontroll-Stu­dien wird eine mögliche Asso­ziation von SNPs in inflammatorischen Kandidaten­genen zu rheumatischen und paro­don­talen Er­krankungen erforscht. Des Weiteren wird dem paro­dont­­patho­genen Bakterium P.gingivalis aufgrund seiner Fähigkeit der Citrulli­nierung von Peptiden und der damit ver­bundenen Bildung von Autoantikörpern, eine Schlüssel­rolle bei der gegenseitigen Be­ein­flus­sung beider Erkrankungen zugesprochen. In einer Fall-Kontroll­studie wird das Auf­treten von citrulli­nierten Antikörpern im Zu­sammenhang mit parodontalen und rheumatischen Erkrankungen untersucht.

Bereits seit langem wird ein biologisch plausibler Zusammenhang zwischen Infektionen des Parodonts und kardio­vaskulären Erkrankungen diskutiert. Ziel einer in Zusammenarbeit mit dem Mitteldeutschen Herzzentrum der Universitäts­klinik und Poliklinik für Herzchirurgie durch­geführten longitudinalen Kohorten­studie war es, heraus­zufinden, ob sich orale Infektionen (spezifische paro­dontale Markerkeime) oder eine Erkrankung des Zahnhalte­apparates sowie bio­chemische Serum­parameter (sRAGE, CRP, Il6) und genetische Be­sonderheiten in inflamma­torischen Kandidatengenen als Risiko­faktoren für ein kardio­vaskuläres Folge­ereignis bei Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung er­weisen (1, 3, 10 Jahres Follow-Up). In einer weiteren, im Moment im Follow-Up befindlichen, Kohorten­studie soll das komplexe orale Mikrobiom auf eine mögliche kardiovaskuläre prognostische Vorher­sagekraft ge­prüft werden.

Das Ein­dringen von oralen Parodontpathogenen und deren Toxine in die Blutzirkulation konnte in klinischen Stu­dien gezeigt werden. Darüber hinaus wurden spezifische Parodont­pathogene be­reits in der athero­skle­rotischen Plaque nachgewiesen. In einer klinischen Stu­die in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Viszerale, Gefäß- und Endo­krine Chirurgie wird eine putative Verbindung des komplexen oralen Mikrobioms (Metagenom und Metatranskriptom) und der möglicher­­weise in den Plaques in den Carotiden befindlichen mikrobiellen Erregern mittels Next-Generation-Sequencing unter­sucht.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen könnten dazu beitragen, eine mögliche Vernetzung zwischen parodontalen und systemischen entzündlichen Erkrankungen besser zu verstehen. Des Weiteren könnten Patienten von einer erweiterten genetischen und/oder mikrobiologischen Diagnostik und individuellen Therapie profitieren.